Laminierter mandschurischer Bogen von Jia Zhiwei

Im Jahr 2014 wurden die Bogen des chinesisches Bogenbauers Jia Zhiwei auf den Markt gebracht. Dabei handelt es sich um Bogen, die sich von den Proportionen und daraus resultierendem Schussverhalten her eng an denen originaler Qing-/Mandschuh-Bogen zu orientieren suchen.

Stammdaten

Glasfiber-Bambus-Bogen im Stil der Kriegs- und Jagdbogen der chinesischen Mandschu-/Qing-Dynastie (1644-1911).

Hersteller: Jia Zhiwei, www.manchubows.com

Länge Siyahende zu Siyahende abgespannt:158 cm

Länge Siyahende zu Siyahende aufgespannt: 138 cm

Sehnenlänge abgespannt: 155 cm

Sehnenmaterial, -art und -stärke: Dacron, 24 Strang

Zuggewicht: 50 lbs. @ 32 Zoll (gemessen), 55 lbs. @ 35 Zoll (Herstellerangabe), Auszugsdiagramm anbei

empfohlene Standhöhe: 7  –  7 1/4 Zoll

idelaer Arbeitsbereich: 31 – 36 Zoll.

max. Auszug: 36 Zoll.

Gewicht: ca. 0,73 kg

Materialien: Rahmen/Wurfarme – Fiberglas, lederüberzogen; Siyahs – laminierter Bambus;Tips - Nockinserts aus Wasserbüffelhorn

Bogenverlaufsform und Größenverhältnisse:  für mandschurische Bogen typischer Refelex von Wurfarmen (Länge je 48 cm; Breite max. 3,5 cm) und Siyahs (Länge je 28 cm)

Griffstück: schlank; gerade; leicht zurückgesezt; mit glattem Lederband umwickelt; beiderseits (Pfeilenlage) mit geschliffenem, grünem Stachelrochenleder versehen

Fertigungszeit: November 2014

Preis (November 2014): 300,- Euro

Allgemeines zu Verarbeitung und Fertigung

Die Verarbeitung des Bogens ist solide, stabil und sauber.

Wie dieses unter dem Lederbezug aussieht bzw. wie lange dieser Zustand bestand haben wird, kann nicht beurteilt werden.

Leider erwies sich die Mittenwicklung der Sehne als aus zu hartem Garn gearbeitet, welches sich schon nach einigen hundert Schuß aufdröselte. Sie wird daher bald ersetzt werden müssen.

Aus der Erfahrung mit anderen Bogen ähnlicher Bauart scheint es günstig, die Sehnenbrücken mit einem dünnen Leder- oder Filzüberzug zu versehen, um den Abrieb der Sehne an deren Kanten sowie den beim Aufschlag der Sehne auf die Brücken entstehenden Geräuschpegel zu minimieren.

Auszugs- und Schußverhalten
Auszugsverhalten

Im ersten Drittel des Auszuges wird man mit einem typischen Phänomen eines mandschurischen Bogens konfrontiert:

Aufgrund des starken Reflexes und der langens Siyahs ist eine hohe Vorspannung vorhanden, welche vom Schützen zunächst überwunden werden muß. Jenes gestaltet sich jedoch nicht unangenehm; der Bogen gibt gemächlich nach; man zieht somit nicht gegen eine Wand.

Nach Überwindung der Vorspannung läßt sich der Bogen recht „weich“ bzw. angenehm ausziehen; erst im Verlauf des letzten Drittels des bei diesem Test realisierbaren Vollauszuges von 32 Zoll war ein moderates Ansteigen des zum Auszug notwendigen Kraftaufwandes zu verzeichnen.

Subjektiv gesehen konnte bei Erreichen des Vollauszuges von einem sogenannten „satten Auszugsgefühl“ sprechen. Ein Stacking war nicht zu bemerken.

Der ideale Arbeitsbereich des Bogens wird vom Hersteller mit zwischen 31-36 Zoll angegeben. Bei dem hiesigen Test war es jedoch mangels ausreichend langen Pfeilmaterials nicht möglich, einen weiteren Auszug als 32 Zoll zu erreichen.

Auszugskurve anbei.

Abschußverhalten Bogen

Der Bogen wurde unter Verwendung eines zylindrischen Daumenrings im chinesisch-mandschurischen Stil geschossen.

Die Energieabgabe beim Abschuß erfolgte gleichmäßig, ruhig und stabil.

Der Aufschlag der Sehne auf den Sehnenbrücken äußert sich durch ein lautes Geräusch („Knallen“).

Bauartbedingt gerierte der Bogen – starker Reflex, lange Siyahs sowie Sehnenbrücken – zum Ende des Abschusses hin einen spürbaren, nicht unerheblichen Handschock.

Hierbei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Ausführung der Siyahs sich dahingehend ungünstig ausgewirkt haben, den Handschock verstärkt haben dürfte. Denn die Wurfarmenden laufen im Gegensatz zu denen originaler Mandschuhbogen etwas klobig und nicht abflachend aus. Diese Art der Gestaltung der Wurfarmenden ähnelt somit eher denen der im Laufe der Qing - Dynastie aufgekommenen Bogen, welche ausschließlich zu Trainingszwecken oder dem Test der Physis im sogenannten Qing-Militär-Examen verwendet wurden, denn denen von Jagd- und Kriegsbogen:
Sie zeichneten sich durch besonders breite, dicke Wurfarmen sowie teils übergroße Siyahs & Sehnenbrücken aus. Ihre Zuggewichte waren entsprechend hoch und lagen oft jenseits von 150 Pfund. Im Kriegs- oder Jagdeinsatz wurden sie jedoch - unter anderem wegen des mit der klobigen Bauweise zu erwartenden, ungünstigen Schussverhaltens - nie verwendet.

Dieses ist typisch für mandschurische Bogen und vom Schützen hinzunehmen bzw. muss durch entsprechende Druckverhältnisse am oder Öffen des Griffs sowie die Verwendung schwerer Pfeile zu absorbieren gesucht werden. Letzteres findet  jedoch seine Grenzen, wenn dadurch Fluggeschwindigkeit und Reichweite unverhältnismäßig herabgesetzt werden.

Daher wurden verschiedene Pfeile zum Testen verwendet.

Der Schütze, welcher diese Art von Bogen schießen will, hat sich damit entweder abzufinden oder muss sich auf eine andere Art von Bogen focussieren.

Verwendetes Testmaterial
Abschußmaterial

Pfeil 1 – Aluminium Easton XX 75 Legacy 2216, Länge 32´´; Durchmesser 11/32, 175-grs.-3-D-Combo-Spitze; klassische Befiederung im mandschurischen Stil mit 3 Federn in gestreckter Parabolform über 26 cm; Gewicht  40,7 Gramm / 634 grain  -  12,68 gpp.

Pfeil 2 – Aluminium Easton XX 75 Legacy 2219, Länge 32´´; Durchmesser 11/32, 175-grs.-3-D-Combo-Spitze; klassische Befiederung im mandschurischen Stil mit 3 Federn in gestreckter Parabolform über 26 cm; Gewicht  44,7 Gramm / 684 grain  -  13,68 gpp.

Pfeil 3 – Esche, Spine 80-85, Länge 32´´; Durchmesser 3/8“, asymmetrisch gebarrelt auf 23/64“, 125-grs.-3-D-Combo-Klebespitze; klassische Befiederung im mandschurischen Stil mit 3 Federn in gestreckter Parabolform über 26 cm; Gewicht  48,5 Gramm / 748 grain  -  14,96 gpp.

 Pfeil 4 – Birke, Spine 55-60, Länge 32´´; Durchmesser 23/64“, zylindrisch-gerade, 125-grs.-3-D-Combo-Klebespitze; klassische Befiederung im mandschurischen Stil mit 3 Federn in gestreckter Parabolform über 26 cm; Gewicht  47 Gramm / 724 grain  -  14,48 gpp.

subjektiver Eindruck

Pfeil 1 – Harter, blechern erscheinender, lauter Abschuß, spürbarer Handschock, Pfeil erschien zu leicht.

Pfeil 2 – Weicher erscheinender, weniger lauter Abschuß; Handschock deutlich reduziert; der Pfeil vermittelte kurz vor dem Verlassen des Bogens das typische Gefühl einer Kraftübertragung bzw. Geschwindigkeitsentwicklung, welches man etwa bei kleineren Reflexbogen als „giftig“ bezeichnet.

Pfeil 3 – Leiser Abschuß, Handschock nur noch gering, jedoch sehr unkomfortabel, langsam erscheinender Abschuß und Pfeilflug

Pfeil 4 – nur partiell weicherer Abschuß im Vergleich zu Pfeil 2, Abschuß weniger laut; kein derartiges  “geschwindigkeits-Gefühl” wie bei Pfeil 2; Pfeil zu weich

Der Pfeil Nummer 2 erschien vom Schußgefühl am geeignesten.

Ergebnisse
Ergebnisse Geschwindigkeitsmessung sowie "Dynamic Efficiency" (Lt. Auszugsdiagrammformel):

Die Pfeile wurden über einen offenen, wie geschlossenen Chronometer geschosssen.

Pfeil 1: 192 ft/sec, DE 79,9 %

Pfeil 2: 184 ft/sec, DE 79,2 %

Pfeil 3: 177 ft/sec, DE 80,2 %

Pfeil 4: 173 ft/sec, DE 74,12 %

Fazit

Ein gut verarbeiteter Bogen in exklusivem Design mit gutem, typischen Auszugs- und Schußverhalten, der seinen historischen Vorbildern nahe kommt.

Ob der für einen Fiberglasbogen recht hohe Preis auch angesichts des Umstandes, dass es sich um eine recht exklusive „Replik“ handelt sowie die verwendeten Materialien nach Herstellerangaben keine solchen „von der Stange“ sein sollen, wie sie sich in den „Durschnitts-Billig-Glasfiberbogen“ finden, gerechtfertigt ist, wird die Zeit und auch der Markt zeigen. Es steht zumindest die Befürchtung im Raum, dass sich mit solchen Preisvorstellungen das Interesse an Bogen für das chinesisch-mandschurische Schießen, wie auch solche Bogen selbst, eher in Grenzen halten, denn zunehmen könnte.

Weiterhin ist zu konstatieren, dass dieser Bogen kein solcher für Anfänger oder Schützen ist, die meinen, einen solchen der Vollständigkeit halber in ihrer Sammlung haben zu müssen, um zu behaupten, damit genauso gut – oder schlecht - schießen zu können, wie mit jedem anderen Reflexbogen auch.

Sowohl im Allgemeinen als auch aus der Erfahrung des Schießens mit solchen Bogen im Besonderen ist vielmehr festzustellen, dass der Umgang und ein erfolgreiches Schießen (Treffen !) mit diesem Bogen selbst für Schützen, die einen Umgang mit dieser Art von Bogen gewohnt sind, eine Herausforderung darstellt und viel Trainingsarbeit, denn Selbstdarstellung mit dem Bogen oder bloßes Sinnieren über diesen erfordert.

Es bedarf somit einer gewissen Vorliebe für diese Art von Bogen und deren Schußverhalten sowie den Willen zu stringentem Training, wenn man mit einer Anschaffung und einem erfolgreichen Gebrauch liebäugeln sollte.

Allerdings zeigt sich auch bei diesem Exemplar wieder einmal, dass bei richtigem Gebrauch des Bogens das vielpropagierte „Herausdrehen des Bogens aus der Schussbahn um Treffen zu können“ – wenn es denn aufgrund der Bauform des Bogens überhaupt realisiert werden kann – weder nötig noch sinnvoll ist sowie dass für den Fall, dass sich der Bogen im Verlauf des Schusses überhaupt bewegen sollte, dieses erst erfolgt, wenn der Pfeil den Bogen bereits verlassen hat und diesesr Umstand das Resultat überschüssiger Restenergie ist, welche nicht an den Pfeil abgegeben werden konnte – nicht jedoch einer aktiven Handlung des Schützen (vgl. für den Fita/WA-Bereich Stichwort „Fangschlinge“).

Auszugsdiagramm Mandschurischer Bogen von Jia Zhiwei